Was ist der Unterschied zwischen einer offenen und einer polyamoren Beziehung?

Häufig werden die Begriffe polyamore/polyamoröse Beziehung und offene Beziehung synonym gebraucht. Wie kommt das? Hier wollen wir erklären, was mit diesen Begriffen (meistens) gemeint ist. Und wieso eine klare Unterscheidung weder möglich noch zielführend ist. 

Das Spektrum der Öffnung

Wenn man versucht, unterschiedliche Beziehungsformen zu kategorisieren, steht man früher oder später immer vor dem Problem, dass klare Grenzziehungen eigentlich unmöglich sind. Man kann zwar sagen, dass es in einer monogamen Beziehung weder Sex noch Verliebtheit mit anderen gibt bzw. geben soll. Aber im „Kleingedruckten“ wird es dann schon schwieriger. Wo fängt Sex an? Beim Flirten? Küssen? Pornos schauen? Noch komplizierter wird es bei den Gefühlen. Ab wann gilt man als verliebt? Schon an diesen wenigen Fragen zeigt sich: Auch bei monogamen Paaren sind die Definitionen und Regeln höchst unterschiedlich. Was bei den einen schon Betrug ist, gehört für die anderen selbstverständlich dazu. 

Wir sehen Beziehungsmodelle daher weniger als Kategorien als vielmehr entlang eines Spektrums. Den einen Pol bildet dabei die engste Auslegung der Monogamie, den anderen die weiteste Definition der Polyamorie. Diese Sichtweise macht auch deutlich, dass die Entscheidung für ein Beziehungsmodell sehr viel komplexer ist, als sich ein Label auszusuchen und zu sagen: Das sind wir jetzt. Stattdessen bedarf es sehr genauer Absprache und Reflexion, um sich auf dem Spektrum genau dort zu verorten, wo es sich stimmig anfühlt. Das Konzept eines Spektrums veranschaulicht zudem Flexibilität. Denn Beziehungen sind nicht statisch. Wir verändern uns, unsere Lebenswelten verändern sich: Das sollte sich auch in unserem Beziehungsmodell zeigen dürfen. 

Die offene Seite des Spektrums: Umgang mit Dritten in der Beziehung

Wenn Menschen von offenen Beziehungen sprechen, meinen sie meistens eine klassische Paarbeziehung plus Außenkontakte. In einer offenen Beziehung besteht also in der Regel eine Hauptbeziehung. Begegnungen außerhalb dieser Beziehung sind vorwiegend kurzfristiger und sexueller Natur. Sie können das Leben beider Partner*innen bereichern und (sexuelle) Wünsche und Bedürfnisse erfüllen, die vielleicht alleine oder zu zweit nicht verwirklicht werden können. Ob es sich dabei ausschließlich um One-Night-Stands handelt, oder ob auch wiederholte Kontakte erlaubt sind, entscheiden dabei die Personen in der Hauptbeziehung. Das hängt unter anderem davon ab, inwieweit die Partner*innen gewillt sind, auch emotionale Verbindungen mit Dritten zuzulassen. Dabei ist aber immer klar: Die Hauptbeziehung hat Priorität. 

In einer polyamoren Beziehung können hingegen mehrere Beziehungen gleichzeitig nebeneinander existieren. Es gibt also nicht nur vereinzelte Kontakte, sondern oft enge und langfristige Partnerschaften zu Dritten. Polyamore Paare sehen Sex und Emotionen häufig als nicht trennbar an und versuchen hier auch nicht zu trennen. Dennoch kann eine Hierarchie unter den Beziehungen bestehen, sodass es eine Primärbeziehung gibt, die Priorität hat. Dort liegt die meiste Loyalität und im Konfliktfall würde zugunsten dieser Beziehung entschieden werden. In anderen polyamoren Konstellationen hingegen werden alle Beziehungen als gleichwertig gesehen und erhalten den individuellen Raum, den sie brauchen. Dies umfasst dann teilweise auch freundschaftliche Beziehungen und wird häufig als „Beziehungsanarchie“ bezeichnet. 

Polyamorie ist ein Kunstwort aus den Begriffen polýs (griech. viel) und amare (lat. Liebe). Wie das Wort schon sagt, gehen polyamore Menschen davon aus, dass man mehrere Menschen gleichermaßen lieben kann. Mehrere Partner*innen zu haben, bedeutet daher nicht, dass diese Menschen weniger Liebe bekommen, als wenn es nur einen Partner oder eine Partnerin gäbe. 

Wenn du dir professionelle Begleitung entweder für deine offene Beziehung oder auch beim Öffnen deiner Beziehung wünscht, kannst du hier eine kostenlose Erstberatung mit einem unserer Coaches vereinbaren.

Öffnung benötigt Offenheit 

Man sieht: Die Übergänge zwischen offenen und polyamoren Beziehungen sind fließend. Grundvoraussetzungen für all diese Modelle sind Einvernehmlichkeit und Transparenz. Das heißt, alle Beteiligten wissen Bescheid, nichts geschieht heimlich. Alle müssen über die Freiheit verfügen, ehrlich Ja oder Nein sagen zu können. 

Wie viel sich über die jeweils anderen Partnerschaften ausgetauscht wird, ist dabei Verhandlungssache. In offenen Beziehungen wird tendenziell weniger, in polyamoren Beziehung tendenziell mehr über die weiteren Beziehungen gesprochen. Aber auch das ist individuell. In polyamoren Partnerschaften kommt es auch häufig vor, dass alle Beteiligten sich kennen und gemeinsam Zeit verbringen. 

Welches ist das richtige Beziehungsmodell? 

So vielfältig wie Menschen sind, so viele verschiedenen Beziehungsmodelle gibt es vermutlich auch. Dabei kommt es weniger auf strikte Definitionen als vielmehr auf eine bewusste Abstimmung der Wünsche, Bedürfnisse und Ziele der Beziehungsbeteiligten an. 

Wichtig: Es kann in allen Beziehungsmodellen zu Betrug und Verletzung kommen! Denn es gibt immer Absprachen und Vereinbarungen, die gebrochen werden können. Polyamorie ist kein Freifahrtschein, kein Ablegen von Verantwortung. Im Gegenteil: Die wichtigste Grundlage für alle Liebesmodelle ist die Kommunikation. Alle Partner*innen müssen sich untereinander vertrauen können, ein Bewusstsein für ihre eigenen Wünsche und Grenzen haben sowie den Willen, über all das regelmäßig mit den Partner*innen zu sprechen. 

Zurück
Zurück

Affäre aufgeflogen. Was jetzt?

Weiter
Weiter

Beziehungsprobleme nach der Geburt: 9 Tipps für eure Beziehung